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Chiles Wirtschafts- und Industriepolitik unter Salvador Allende Gossens 1971 – 1973

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Allende's Chile: The Political Economy of the Rise and Fall of the Unidad Popular (Cambridge Latin American Studies)Die wirtschaftlichen Probleme Chiles und die Wirtschaftspolitik der chilenischen Regierung vor und während Allendes Amtszeit waren eine wichtige Lektion für realsozialistische Politik. Kompromisse und Fehlkalkulationen führten zum Scheitern von Allendes Wirtschaftspolitik und somit später auch zum Niedergang einer Regierung.

Ausgangslage
Bevor wir uns mit den Fakten der Wirtschafts- und Industriepolitik Allendes befassen, sollten wir uns die Ausgangslage Chiles Ende der 1960er Jahre anschauen: Chile hatte vor dem Amtsantritt der Unidad Popular – einem linken Parteizusammenschluss – mit einer Jahrzehntelangen Inflation zu kämpfen. Zwischen 1967 und 1970 stiegen die Verbraucherpreise im Durchschnitt um ca. 27%. Zusätzlich wurde die Wirtschaft durch immer höhere Importquoten belastet. Diese stiegen vor allem – Aufgrund der Nahrungsimporte – unter der christdemokratischen Regierung Freis an. Im Gegensatz dazu erhöhten sich die Industrieexporte Chiles nur gering, was zu einem Außenhandelsdefizit führte. Hierdurch bedingt stieg wiederum die Arbeitslosenquote bis 1970 auf 6% an und die vorhandenen Industriekapazitäten wurden nicht mehr oder unzureichend genutzt.

Chilenisches Kupfer und der Christdemokratische Präsident Frei
Ein Versuch der christdemokratischen Regierung die Arbeitslosenzahl zu bekämpfen war der Rückkauf von Kupferminen die in US-amerikanischer Hand waren. Dabei ist zu beachten, dass der Export Chiles zu 80% auf Kupfer basierte und die Außenhandelsbalance somit stark vom aktuellen Weltmarktpreis abhängig war. Der Rückkauf erfolgte durch den Ankauf von über 51% der jeweiligen Aktie der Firmen Anaconda und Kennecott. Nach dem Ankauf der Aktien war kein Rückgang der Arbeitslosenquote oder Lohnanstieg zu verzeichnen. Gleichzeitig stieg jedoch der Gewinn der weiterhin beteiligten Firmen auf ein Rekordhoch. Dagegen war der einzig positive Faktor der Frei Regierung ein stetiges Wirtschaftswachstums zwischen 1967 bis 1970 von im Durchschnitt 2,425%. Das Wirtschaftswachstum basierte vor allem auf Lohnkürzungen und der totalen Streichung von neuen Investition, was wiederum zur Erhöhung der Arbeitslosenquote und zum Abbau des Sozialsektors beitrug.

Allendes Wirtschaftspolitik
Allende zeigte sich nach seinem Wahlerfolg 1970 relativ unvorbereitet darauf, die ökonomischen Probleme Chiles zu bewältigen. Die Unidad Popular versprach in ihrem Programm eine rasche Bekämpfung der Inflation, der Arbeitslosigkeit, und die Verstaatlichung von Schlüsselbetrieben. In der Bevölkerung stieg die Hoffnung auf steigende Löhne und höhere Besteuerung der Reichen. Parallel zur Agrarreform sollte daher eine Industriereform durchgeführt werden, welche die Produktionsmittel nach klassisch marxistischem Vorbild in Staatshand überführen sollte. Die Regierung Allendes hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht die nötigen Gesetze zur Verstaatlichung von privaten Betrieben verabschiedet. Stattdessen bedurfte es einer Mehrheit im Parlament um Betriebe zu verstaatlichen, welche die Unidad Popular selber nicht besaß. Bei der Verstaatlichung der Kupferminen stellte dies jedoch kein Problem dar, da ein solcher Beschluss Parteiübergreifend auf Zustimmung stieß. Die Verstaatlichung weiterer Betriebe sollte sich als schwieriger herausstellen. Allende veröffentlichte eine Liste von 90 Schlüsselbetrieben, die für eine Vergesellschaftung vorgesehen waren. Als die Liste dem Parlament vorgelegt wurde, lehnte dieses sie mit einer großen Mehrheit ab. Die Unidad Popular fand einen Ausweg und bediente sich von nun an zweier Möglichkeiten: Dem Ankauf von über 51% der Aktien oder der Anwendung des Dekret No.520 aus dem Jahre 1932. Bis zum März 1971 verstaatlichte die Regierung unter Allende damit 91 der größten Betriebe in Chile und kontrollierte damit mehr als 80% der Großindustrie.

Die Opposition forderte von der Regierung das alte Gesetz nicht mehr anzuwenden. Zudem verlangten vor allem die Christdemokraten die Schaffung von Arbeiterselbstverwaltungen: Nicht direkte Verstaatlichung sondern Kontrolle durch Arbeiter war das Ziel der Opposition. Damit sollte der Regierung die direkte Kontrolle über die Industrie, vor allem der mittelständischen, entzogen werden. Im März 1971 einigten sich die Christdemokraten und die Unidad Popular darauf, dass bereits verstaatlichte Betriebe nicht mehr privatisiert werden sollten. Gleichzeitig sollte Dekret No.520 keine Anwendung mehr finden und über jede Verstaatlichung im Parlament abgestimmt werden. Außerdem sicherten die Christdemokraten der Regierung Allendes ihre Unterstützung – wie im Fall der Kupferminen – zu. Damit gab es eine Pattsituation im Parlament, die jede weitere Verstaatlichung im Keim erstickte. Die parlamentarische Opposition behauptete somit einen unterdrückenden allmächtigen Staat nach dem Vorbild der Sowjet Union verhindert zu haben. Teile der kleinbürgerlichen Gesellschaft begannen Parallelen zwischen Stalin und Allende zu ziehen.

Warum keine Arbeiterselbstverwaltung?
Die sozialistische Regierung Chiles glaubte, dass durch die Schaffung von Arbeiterbetrieben die kapitalistische Mentalität der Wirtschaft nicht gebrochen werden würde. Denn, durch das Entstehen von Führungspositionen würde ein Klima des Wettbewerbs geschaffen, welches den Primus der Profitmaximierung befeuern würde. Allendes Wirtschaftspolitik führte im Jahr 1971 zu einer Senkung der Warenpreise bei gleichzeitiger Erhöhung der Löhne.

Lohnsteigerung
So kam es zu einer Reallohnsteigerung von bis zu 28%, was eine Versechsfachung der Lohnsteigerung zur Vorgängerregierung bedeutete. Dies geschah vor allem durch die Kontrolle von Nahrungsmittelpreisen und Verbrauchergütern, was jedoch bereits 1972 zu einer Warenknappheit bei fast allen der Preiskontrolle unterliegenden Lebensmitteln führte. 1972 begannen die Reallöhne erneut zu sinken.

Wirtschaftswachstum und Kritik
1971 stieg das Wirtschaftswachstum zunächst auf 12% an. Doch bereits im selben Jahr war klar, dass dieses Wachstum nicht Konstant bleiben würde. Bis 1972 fielen die Exporte bei gleichzeitigem Anstieg der Importe auf 1,2 Milliarden Dollar. Dies wurde vor allem durch den stagnierenden Agrarsektor bei gleichsam höherem Konsum verursacht. Hier setzen viele Kritiker der Unidad Popular an: Die Partei habe nicht bedacht, dass steigende Löhne und Preiskontrolle einen erhöhten Bedarf an Produkten erzeugen würde, welcher wahrscheinlich nur durch neue Importe abgedeckt werden könnte. Dies hätte jedoch nur funktionieren können, wenn gleichzeitig die Exporte angestiegen wären. Auch der Abzug des ausländischen Kapitals in den Jahren 1970 bis 1973 führte zu einer Stagnation des Wachstums. Ob der Versuch Allendes die Wirtschaft zu „sozialisieren“ an der Opposition oder eigenen Entscheidungen gescheitert ist, ist fraglich. Denn sowohl die Kompromisse die er mit der Opposition bezüglich der Verstaatlichung von Betrieben schließen musste, als auch die Fehlkalkulation der Warenknappheit führten nach dem kurzen Aufschwung zu der wirtschaftlichen Krise von 1973.


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